Radfahren und Sicherheit: Basics für den Alltag und Radreisen

Radfahren und Sicherheit Alltag Radreisen ADFC

Radfahren und Sicherheit ist ein Thema, das alle Radfahrer betrifft. Erfahrungen und Tipps zur Sicherheit auf dem Fahrrad gibt es im Interview mit dem ADFC.

 

Photocredit Titelbild: ADFC | Markus Gloger

Die Sicherheit beim Radfahren gehört zu den wichtigsten Themen, mit dem sich Radfahrer regelmäßig beschäftigen. Das betrifft sowohl die Sicherheit im Alltag als auch auf Radreisen. Dabei umfasst die Sicherheit auf dem Fahrrad sowohl die Rahmenbedingungen fürs Radfahren als auch das eigene Verhalten und die gefühlte Sicherheit von Radfahrern auf dem Bike.

Wie es um die Verkehrssicherheit von Radfahrern in Deutschland steht, welche Rahmenbedingungen verbessert werden müssen und was die Radfahrer selbst dazu beitragen können, um für die eigene Sicherheit auf dem Rad zu sorgen, dazu habe ich Tobias Husung vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Baden-Württemberg befragt.

Weitere Artikel zu ADFC-Radthemen findest du hier:
Radtouren Deutschland: Fahrradwege im Test
Flussradwege in Deutschland – Infos & Tipps
Radreisen: Aktuelle Trends und Tipps

Radfahren und Sicherheit Alltag Radreisen ADFC © ADFC | Markus Gloger

Das Thema Sicherheit ist für Radfahrer ein Dauerbrenner. Wie steht es um die Verkehrssicherheit von Radfahrern in Deutschland, welche Erkenntnisse hat der ADFC hierzu?

Bei den Unfallzahlen in Baden-Württemberg gibt es einen Trend: Die Anzahl der im Verkehr Verunglückten sank um 10% und es gibt auch 20% weniger Verkehrstote als vor Corona. Auch ist seit dem Jahr 2000 der Trend hin zu weniger schwer von Unfällen Betroffenen erkennbar. Leider ist der Rückgang bei den Fahrradfahrern unterdurchschnittlich im Vergleich zu anderen Verkehrsteilnehmenden und wir sind noch weit entfernt von der „Vision Zero“, dass es keine Verkehrstoten mehr gibt.

Eine der größten Gefahren ist die Geschwindigkeit im Straßenverkehr. Deswegen sollten Städte flächendeckend Tempo 30 einführen sowie in fehlertolerante, einfache Radinfrastruktur investieren. Mit der Novellierung des StVG (StraßenVerkehrsGesetz) ist der erste Schritt getan. Nun muss sich die Sicherheit, Gesundheit und Nachhaltigkeit auch in der StVO (StraßenVerkehrsOrdnung) widerspiegeln, damit Kommunen ihren Bürgern auf allen Wegen mehr Sicherheit geben können.

Ein wichtiger Aspekt dafür ist auch die Finanzierung: Der Bund, die Länder und Kommunen teilen sich die Kosten der Investitionen in Radinfrastruktur. Laut Berechnungen des ADFC will der Bund seine Mittel für den Radverkehr deutlich senken. Für eine nachhaltige Entwicklung hin zu einem Fahrradland ist jedoch eine Erhöhung der Investitionen nötig.

Radfahren und Sicherheit Alltag Radreisen ADFC © ADFC | Jürgen Ilchmann

Welche Rahmenbedingungen müssen aus Sicht des ADFC geändert werden, um die Verkehrssicherheit von Radfahrern zu verbessern?

Um die Verkehrssicherheit von Radfahrenden zu verbessern, müssen einige Rahmenbedingungen verändert werden. Die drei wichtigsten Säulen stellen dabei Temporeduktion, mindestens 1,5 Meter Überholabstand und Parkraummanagement dar.

Darüber hinaus fordert der ADFC die Durchsetzung des geltenden Rechts und die Verbesserung des Rechtsrahmens grundsätzlich. Mit der Novellierung des StVG ist ein erster Schritt in diese Richtung getan. Die Änderungen müssen nun konsequent in die StVO einfließen. Nur so können Kommunen auch die Sicherheit aller Verkehrsbeteiligten u.a. durch neue Infrastruktur und ein weit verbreitetes Tempolimit von 30 km/h in Städten verbessern.

Nach einer konsequenten und tiefgreifenden Analyse von Unfallursachen ist es essentiell, Gefahrenstellen umgehend zu beseitigen. Darüber hinaus ist der gezielte Ausbau eines sicheren und durchgängigen Radnetzes unabdingbar (Details zu verbessernden Rahmenbedingungen).

Radfahren und Sicherheit Alltag Radreisen ADFC © ADFC | Markus Gloger

Lassen sich Fortschritte bei den Rahmenbedingungen feststellen? Bei welchen Punkten geht es voran und wo tut sich am wenigsten?

Die Novellierung des StVG Novellierung ist ein erster großer Schritt. Hier wurden Gesundheit, Sicherheit und Nachhaltigkeit als neue Ziele des (Ausbaus des) Verkehrs gleichbedeutend mit dem Fließen des Verkehrs herausgestellt. Diese Aspekte müssen nun in die StVO übernommen werden, damit Städte eine freiere Hand in Infrastrukturmaßnahmen und Tempolimits bekommen.

Beim Fahrradklimatest 2022 haben sich herausragende Städte und Gemeinden in Baden- Württemberg wieder gezeigt. So wurden Verbesserungen in Freiburg (z.B. mehr Falschparkerkontrollen) und Tübingen durch breitere Wege geschaffen. Auch Leuchtturmprojekte wie das „Blaue Band“ oder eine neue Neckarquerung haben zu deutlichen Notenverbesserungen geführt. Die Durchschnittsnote von 3,9 zeigt allerdings, dass es in vielen Bereichen noch Nachholbedarf gibt, auch wenn Karlsruhe, Freiburg, Tübingen und Rutesheim in ihrer Größenklasse zu den Spitzenreitern gehören.

Für eine tatsächliche Mobilitätswende sind Infrastruktur und politische Maßnahmen unabdingbar – mit Investitionen in eine fehlerverzeihende einfache und durchgängige Radinfrastruktur. Diese lässt aktuell noch zu wünschen übrig, weswegen wir uns lokal, im Land und im Bund für ein besseres Umfeld für Radfahrende einsetzen. Ein Beispiel ist die Verkehrsberuhigung. Wir begrüßen die gerechtere Flächenverteilung für alle Verkehrsteilnehmenden und durch eine Verkehrsberuhigung werden Fußgänger und Radfahrende geschützt. Auch eine bessere Radinfrastruktur außerorts und im ländlichen Raum sehen wir als notwendig an, damit alle Menschen von der Mobilitätswende profitieren können.

Mobilitätswende Fahrrad Nachhaltigkeit ADFC © ADFC | April Agentur

Was können die Radfahrer selbst dazu beitragen, damit sie sicherer mit dem Rad im Alltag und auf Reisen unterwegs sind?

Zunächst: Die Infrastruktur für den Radverkehr ist das Problem. Radfahrende können nur so sicher sein, wie die Infrastruktur es erlaubt. Daneben bietet ein Fahrrad Verkehrssicherheit mit funktionierendem Licht, Reflektoren, Klingel und Bremsen. Auch die Reifen können als Verschleißmaterial nach vielen Kilometern auf dem Buckel gewechselt werden, wenn das Profil abgefahren oder das Material spröde ist. Dazu empfehlen wir, einen Helm und weithin sichtbare Kleidung zu tragen.

Eine weitere Möglichkeit sind die Fahrsicherheitstrainings von „radspaß – sicher e-biken“. Das ist ein Projekt des ADFC Baden-Württemberg, in dem Landesweit vom Rhein-Neckar-Kreis bis zum Bodenseekreis qualitätsgeprüfte Trainings angeboten werden. Die Trainings richten sich an Menschen, die sich unsicher fühlen und sind für Pedelecs konzipiert. Auf Wunsch kann anstatt mit dem eigenen Pedelec auch mit einem nicht motorisierten Fahrrad teilgenommen werden. Im Zuge des Trainings werden die eigenen Fähigkeiten geübt und gestärkt und auf Besonderheiten des Pedelecs wie den stärkeren Bremsen, dem höherem und anders verteilten Gewicht sowie der anderen Geschwindigkeit eingegangen.

Als ADFC setzen wir natürlich auch auf Engagement. Mit unseren über 800 Aktiven in über 65 Kreis- und Ortsgruppen sind wir direkt am Puls der Gemeinden und setzen uns lokal dafür ein, dass das Fahrrad auf der Tagesordnung steht und die Infrastruktur gezielt ausgebaut wird. Interessierte sind immer herzlich willkommen.

Radfahren und Sicherheit Alltag Radreisen ADFC © ADFC | Markus Gloger

Gibt es Unterschiede, was die Sicherheit beim Radfahren mit E-Bikes und mit Rädern ohne elektrischen Antrieb betrifft?

Die Unfallstatistiken zu Pedelecs und Rad zeigen, dass mit dem gesteigerten Verkauf auch mehr Unfälle mit Pedelecs passieren. Oft kaufen sich eher weniger geübte Menschen ein Pedelec, um nach Jahren der Abstinenz wieder in die aktive Mobilität auf zwei Rädern einzusteigen. Viele Menschen, die mit dem Pedelec in einen Unfall involviert sind, haben ein höheres Alter als der Durchschnitt der Radfahrenden ohne elektronischen Antrieb. Durch das höhere Alter fallen Verletzungen in diesen Fällen auch oft schwerer aus. Um alleinverschuldeten Unfällen vorzubeugen, bieten wir die Fahrsicherheitstrainings des Projektes radspaß an.

Dazu fordern wir eine feinere statistische Darstellung und Auswertung der Unfallstatistiken. Erst mit allen wichtigen Variablen können Kollisionen und Unfälle richtig analysiert und die passenden Schlüsse daraus gezogen werden.

Sie haben das Projekt „radspaß – sicher e-biken“ erwähnt, welches der ADFC Baden-Württemberg koordiniert. Was ist das Ziel des Projekts?

Das Projekt „radspaß – sicher e-biken“ hat das Ziel, die Fahrtechnik aller Kursteilnehmer zu verbessern und damit die allgemeine Verkehrssicherheit zu erhöhen. Hierfür werden maßgeschneiderte Kurse mit jeder Menge Fahrspaß mit dem Pedelec geboten. Neben zahlreichen Fahrtechnik-Übungen zur Schulung der Koordination und Reaktion, werden auch Themen der Verkehrssicherheit behandelt. Qualifizierte Trainer gehen dabei speziell auf die Bedürfnisse und das Können der jeweiligen Teilnehmenden ein.

Radfahren und Sicherheit Alltag Radreisen ADFC © ADFC Baden-Württemberg | radpsaß – sicher e-biken

Auf einem Übungs-Parcours werden spezielle Fahrsituationen erprobt, um in sicherer Umgebung ein Gefühl für das Rad zu entwickeln. Am Ende sollen alle Teilnehmenden vor allen Dingen Spaß am Kurs und noch mehr Spaß und Sicherheit auf ihren kommenden Pedelec-Fahrten haben. Weitere Informationen zu dem Projekt und den kommenden Kursen gibt es auf der Website radspass – sicher e-biken.

Wo werden die radspaß-Kurse angeboten und für wen sind sie gedacht?

Die radspaß-Kurse werden auf Übungsplätzen in vielen verschiedenen Stadt- und Landkreisen in Baden-Württemberg angeboten. Von Konstanz und Zollernalbkreis bis zum Enzkreis und Heilbronn werden in vielen Kreisen des Landes Fahrsicherheitskurse von geschultem Personal angeleitet.

Das drei- bis vierstündige radspaß-Training eignet sich besonders für alle Personen, welche das Pedelecfahren neu für sich entdeckt haben, Wiedereinsteiger oder Pedelecbesitzer, die ihr Fahrkönnen einmal im sicheren Umfeld richtig erproben möchten.

Sicherheitstraining Fahrrad ADFC © ADFC Baden-Württemberg | radpsaß – sicher e-biken

Wer sich auf dem Rad im Alltag sicher fühlt, hat vermutlich auch gute Grundlagen für die erste Radreise. Worauf können Einsteiger bei der Planung achten?

Für die erste Radreise ist erstmal wichtig, sich mit dem eigenen Gefährt auszukennen, das richtige Gepäck und die richtige Route zu finden. Von Tagestouren bis zu Radwanderungen oder Touren über mehrere Tage ist alles möglich. So kann ich als Gerussradler oder sportlich Ambitionierter auf meine Kosten kommen.

Zu Beginn steht die Entscheidung, ob ich einen festen Standort mit Tagestouren oder eine Tour von Ort zu Ort bevorzuge. Auch über die Länge der einzelnen Etappen sollte nachgedacht werden. Ohne elektronische Unterstützung bieten sich beispielsweise 30-40, vielleicht 50 Kilometer am Tag an und mit einem Pedelec können auch 60 oder 70 Kilometer am Tag geschafft werden. Wichtig sind in jedem Fall regelmäßige Pausen, außer bei den ganz besonders sportlich Ambitionierten.

Der Weg zum ersten Startpunkt kann mit dem Auto oder mit dem Zug zurückgelegt werden. Bei Zugfahrten empfehlen wir eine frühe Buchung bei Strecken mit dem Fernverkehr. Unterwegs bieten fahrradfreundliche Unterkünfte mit dem „Bett+Bike“-Siegel besonderen Komfort für die Radreisenden. Beliebte Radwege in Baden-Württemberg sind zum Beispiel der Donauradweg, der Bodenseeradweg oder der Neckartalradweg. Aber auch Wein-, Berg-, Fluss- oder Biertouren werden im Ländle geboten.

Für das Gepäck auf der Reise bietet sich das Zwiebelprinzip an. Durch mehrere Schichten Kleidung kann auf das Wetter und die verschiedenen Temperaturen am Tag und in unterschiedlichen Höhen reagiert werden. Ein kleiner Werkzeugsatz mit Pumpe kann in der Not gut aushelfen. Bei größeren Pannen kann ein Pannenservice aushelfen. Dieser ist übrigens in Deutschland in der Mitgliedschaft im ADFC inklusive.

Und wenn ich nicht alleine auf die Tour gehen will, bietet die ADFC-Mitradelzentrale Möglichkeiten mit Gleichgesinnten zusammen eine neue Route zu erkunden.

Gemeinsam oder alleine kann auch eine Individualreise gebucht werden, bei der sich nur die passende Route und der Termin ausgesucht werden müssen. Die Buchungen werden dann vom Radtourismusteam übernommen.

Mobilitätswende Fahrrad Nachhaltigkeit ADFC © ADFC | Deckbar

Das Interview habe ich mit Tobias Husung geführt. Er ist der Pressesprecher des ADFC Baden-Württemberg. Der ADFC Baden-Württemberg behandelt alle Themen rund ums Rad: von Verkehrspolitik über Unfallprävention und Service bis hin zu Radreisen. Mit bundesweit mehr als 230.000 Mitgliedern aller Altersstufen ist der ADFC die größte Interessenvertretung für Radfahrer weltweit. Mit dem Projekt radspaß – sicher e-biken organisiert der ADFC Baden-Württemberg Fahrsicherheitstrainings für Pedelecs.

Hier findest du weitere Artikel zu Radthemen in Deutschland:
Der Mosel-Radweg – 25 Tipps für die Planung
Badischer Weinradweg: Hügel, Reben & Genuss
Lahntal: Lahnradweg, Kanutour & Burgen
Der MainRadweg im Fränkischen Weinland
Nahe-Radweg: Outdoor-Tipp an der Nahe
3-Länder-Radweg: Radtour im Odenwald
Radrevier Ruhr: Radtour im Ruhrgebiet
Das Gravelbike Magazin & seine Gründer
Flowtrail Stromberg – Mountainbiken

Heiko Müller

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert