Der Welt-Trip: Einmal um den Globus

[Buchtipp] Einmal um den Globus: Eine eher unübliche Art der Weltreise erwartet den Leser bei diesem Buch, denn der Autor hat die Erde in elf Flügen umrundet, stets in eine Richtung, ohne Abweichung oder einen Rückflug, sondern gewissermaßen immer weiter »einmal um sich selbst und die Kugel«. Mit dem »Welt-Trip« hat Chrizz B. Reuer seine zweite Reiseerzählung nach dem »Europa-Trip« vorgelegt. Unternommen hat er die Reise bereits Ende der 1990er Jahre, vor seiner Europa-Tour, aber nunmehr seine damaligen Notizen in Buchform umgesetzt.

Der Buchuntertitel mag bereits das ungewöhnliche Moment des Reiseberichts andeuten: Wie beim »Europa-Trip« findet er auch bei seiner Weltumrundungserzählung wieder zu seinem individuellen – für manche vielleicht etwas ungewohnten – Erzählstil. Doch gelingt es ihm auch hier den Leser auf unterhaltsame Weise mit auf die Reise zu nehmen. Der erste Flug führt von Deutschland nach Neu Delhi. Ein äußerst passender Einstieg und erstes Reiseziel, da der indische Subkontinent in seiner beeindruckenden Vielfalt sehr gut den kaleidoskopartigen Stil des Autors widerspiegelt in all seiner Fiebrigkeit, seinen Schlaglichtern und seiner Skizzenhaftigkeit. Einmal um den Globus…

Wie der Leser anfangs vielleicht noch etwas zaghaft dem Stil des Autors und seinen Ausführungen folgen mag, so kämpft Reuer noch ein wenig mit seinen kulturellen Vorurteilen und versichert sich mit einem Anruf zu Hause, dass alles gut ist. Doch rasch wird der reisende Autor mit der indischen Sinnesflut ebenso mitgerissen wie der Leser durch Reuers Schilderungen. Und so ist man wie auch beim »Europa-Trip« schnell mittendrin in der Weltenreise.

In Neu Delhi fühlt sich der Autor in gewisser Weise auch beinahe wie zu Hause als er an einer von ihm mehrfach frequentierten Ecke von Einheimischen wiedererkannt und gegrüßt wird. Der Eindruck des Vertrauten schwindet jedoch ebenso schnell mit jeder weiteren Station und den weiteren Erlebnissen und Begegnungen. Und so bleibt das Vergleichen und das Abwägen, auch der Zweifel angesichts des Unbekannten und der Risiken einer solchen Reise, steter Begleiter des Autors.

Genauso wie die immer wiederkehrende Frage, überhaupt das Richtige zu tun und wie verrückt es geradezu ist, eine solche Weltumrundung allein zu unternehmen. Das nachdenkliche, tiefer gehende Reflektieren findet sich somit neben dem unterhaltsamen, erfrischenden und manchmal skurrilen Humor ebenso in den Reisebeschreibungen. Dies nimmt schon ab der ersten Station seinen Lauf, wenn er die eigene Nationalität in Delhi einholt angesichts der »anderen Hakenkreuze«, also der Darstellungen indischer Swastika-Symbole.

Einmal um den Globus – von Asien nach L.A.

Die weiteren Flüge führen von Indien nach Thailand, Singapur, Hong Kong, Macau und Tokyo. Von der japanischen Hauptstadt aus geht es dann über den Pazifik nach Hawaii und schließlich über Los Angeles und San Francisco wieder zurück nach Deutschland. Die Vielfalt der Erlebnisse und Eindrücke sind angesichts der Flugziele entsprechend vielfältig und exotisch und versprechen eine ebenso facettenreiche Lektüre. Im weiteren Verlauf der Reiseerzählung schimmert dabei immer wieder und öfter das Wundersame der zwischenmenschlichen Begegnung unterschiedlicher Kulturen durch, was der Autor ebenso in seinem Bericht umzusetzen weiß.

Das Spektrum reicht dabei von einer Austausch zu einem Bollywoodfilm-Kinobesuch über die Bitte an den Autor in Singapur-City, weitere U-Bahn-Tickets zu erwerben, da die verschiedenen Bilder auf den Fahrkarten als Sammlerobjekte heiß begehrt sind. Bis hin zu einer eher seltsamen Auseinandersetzung in Los Angeles mit einem Mann, der Hitler gut findet, als nüchternen Kontrast zu der Beschwingtheit und Coolness der kalifornischen Metropole, in der kurz zuvor noch Dave Gahan, der Depeche Mode-Sänger, an Reuer vorbei flanierte.

Eine unmittelbare und unverstellte Reiseerzählung ist Reuers Welten-Trip also, der dem Leser auch oder vor allem Einblick in die Erfahrungs- und Gefühlswelt des Autors gewährt, wenn Reuer beispielsweise in Tokyo festellt, dass er Heimweh keineswegs mehr als spießig oder doof empfinden muss. Die Unannehmlichkeiten oder auch unwägbaren Situationen einer solchen Weltreise spart der Autor in seinen Schilderungen zudem ebenfalls nicht aus. Reuers Reisebericht – gerade in Zeiten von vorab oftmals bis ins Kleinste durchorganisierten Reisen – bringt einem das Ursprüngliche und Abenteuerliche wieder frisch ins Gedächtnis: die Entdeckung von Fremdem und Neuem, einschließlich der eigenen Person.

Einmal um den Globus – nicht »cool«, sondern »rad«

Ein klassischer Reiseführer will der »Welt-Trip« nicht sein, sodass es Reisetipps beispielsweise kulinarischer oder sightseeing-technischer Art eher indirekt gibt; dafür ebenso amüsant oder auch mal skurril verpackt wie es eben Reuers Art ist. Man erfährt, dass nicht mehr »cool«, sondern »rad« das neue Modewort in Los Angeles ist, wo der Autor auf den Spuren von Jim Morrison wandelt und kurz darauf in San Francisco liest man vom Leibgericht des Kriminalromandetektivs Sam Spade. Oder auch, dass man auf seine Kreditkarten aufpassen und ansonsten alle Vorurteile zu Hause lassen und sich stets auf Neues einlassen sollte.

Der Autor schildert in seinem Buch eine durchgehend interessante Weltreise, nach deren Ende er das Fazit zieht, dass die Freunde gleich geblieben sind, der Reisende sich jedoch verändert hat und sich das Gefühl einstellt, dass sich einem weitere Welten öffnen. Vor allem Welten, von denen der Autor nun nicht mehr glauben muss, dass sie eine Kugel sind, sondern dass er es selbst erfahren hat auf dem Weg einmal um diese Kugel.

P.S.: Die Reiseerzählung ist illustriert mit Schwarz-Weiß-Fotos und einer Reisezielskizze des Autors.

[Werbung] Buchtipp: Chrizz B. Reuer. DER WELT-TRIP. 11 Flüge Round-The-World. Edition Oberkassel. November 2012. ISBN: 9783943121100

http://www.christbreu.de/

www.edition-oberkassel.de

Gerhard Huber
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