Kriegsenkel – Erben einer vergessenen Generation

[Buchtipp] Auf den ersten Blick lässt der Titel nicht vermuten, welche überraschenden Erkenntnisse sich dahinter verbergen: Sabine Bode lässt in ihrem Buch sogenannte Kriegsenkel zu Wort kommen, die in den 1960ern geboren wurden – somit in Friedenszeiten aufgewachsen sind, doch keineswegs unbeschwert durchs Leben gehen konnten. Sie berichten von massiven Beeinträchtigungen in der persönlichen und beruflichen Biografie, die sich letztlich darauf zurückführen lassen, dass die Eltern ihre schlimmen Erfahrungen aus Kriegszeiten nicht verarbeiten konnten.

Der Traumaforschung ist nicht fremd, dass gerade Belastungen, die verdrängt werden,  unausgesprochen um so stärker weiterwirken. Für die Nachkommen der Kriegskinder bedeutete das eine massive Verunsicherung – sie spürten, dass Vieles nicht stimmt, doch konnte es in den meisten Familien nie angesprochen werden. Vielfach waren die Eltern der Kriegsenkel nicht in der Lage, ihren Kindern die Liebe und Fürsorge zu geben, die sie benötigt hätten. Statt dessen gab es häufig Verständnislosigkeit für die (im Vergleich zum selbst erfahrenen Leid) „kleinen“ Probleme der Kinder, sowie die verbreitete Ansicht, ihnen eine glückliche Kindheit ermöglicht zu haben, besonders in materieller Hinsicht.

Jedoch zeigte sich bis ins Erwachsenenalter der Kriegsenkel hinein u.a. fehlende Geborgenheit, ein Mangel an Selbstvertrauen, Ängste und Blockaden, berufliche Erfolglosigkeit trotz bester geistiger Voraussetzungen, z.T. gravierende Schwierigkeiten mit den Eltern bis hin zur eigenen Kinderlosigkeit. Die Elterngeneration der Kriegsenkel wird in Bodes Buch nicht verurteilt, vielmehr wird deutlich: Das Leid war zu groß, sie mussten sich von ihren Gefühlen abschneiden, um überleben zu können.

Ein sehr wichtiges Buch – einfühlsam geschrieben – da es hilft, Parallelen zu ziehen und vieles besser zu verstehen, was sich Betroffene in der eigenen Kindheit nicht erklären konnten. Es wird deutlich, wie viel stärker als bisher angenommen doch das Leben der Großeltern und Eltern das eigene Leben bestimmt. Und wie wichtig die Auseinandersetzung mit unguten Verstrickungen ist, um das jetzige Leben mit mehr Freiheit leben zu können.

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Sabine Bode: Kriegsenkel – Die Erben der vergessenen Generation. Klett-Cotta, Stuttgart 2009. ISBN 978-3-608-94550-8. Link zur Autorin: www.sabine-bode-koeln.de

Forum zur Thematik: www.forumkriegsenkel.de

Silvia Gottwald


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