Wanderblogs sind eine beliebte Info-Quelle und sie inspirieren. Inzwischen wird auch über sie geforscht. Franziska hat sich ins Dickicht der Forschungslandschaft gewagt.
Wanderblogs unter die Lupe genommen
Franziska liebt Reisen, Natur, Sport und Kulinarik. Damit war sie uns schon mal sehr sympathisch. Als wir dann noch gehört haben, dass sie Diplom-Geographin ist und sich in ihrer Promotion mit der Erforschung von Blogs, genauer gesagt Wanderblogs, beschäftigt hat, mussten wir sie unbedingt zu einem Interview einladen. Zu unserer Freude hat sie uns sofort zugesagt.
Hier ist das Interview – viel Spaß beim Lesen:
Franziska, wie darf man sich deinen beruflichen Alltag vorstellen?
Seit Anfang des Jahres arbeite ich beim Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes, ein neu geschaffenes Bindeglied zwischen Tourismuswirtschaft, Politik und Wissenschaft. Da wir ein kleines Team sind, ist mein beruflicher Alltag sehr abwechslungsreich. Ich entwerfe Fragebögen für unsere Befragungen, werte diese statistisch aus, erstelle aber auch Texte für unsere Website oder plane Veranstaltungen mit Vertreterinnen und Vertretern der Tourismusbranche und dem Bundeswirtschaftsministerium.
Wie bist du auf dein Forschungsthema, nämlich das Wandern aus der Perspektive von Bloggern zu analysieren, gekommen?
Da muss ich kurz ausholen. Ich habe Geographie studiert. Mein Grundstudium habe ich in Hannover, das Hauptstudium der Freitzeit- und Tourismusgeographie in Trier absolviert. In Trier habe ich auch das Wandern als Freizeitaktivität für mich entdeckt. Wir waren damals oft in der Eifel, an der Mosel oder im Müllerthal unterwegs. Nach dem Studium kam ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die Ostfalia Hochschule in Salzgitter ins Team von Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack selbst leidenschaftlicher Wanderer und zugleich renommierter Wanderforscher.
Wir haben u.a. an verschiedenen Projekten zum Wandertourismus gearbeitet, wie z.B. der Wanderstudie 2014. In einem Projekt haben wir Wanderer auf einer Wanderung begleitet und sie gebeten uns zu berichten, was sie während der Wanderung sehen, denken und fühlen. Diese tiefen Einblicke in das Erleben des Wanderers waren unheimlich spannend, die Akquise und Begleitung der Wanderer jedoch sehr aufwendig. Da dachte ich mir, das muss auch anders gehen und kam auf die Wanderblogs.
Im englischsprachigen Raum gab es zur Nutzung von Blogs als Datenquelle schon vereinzelte Studien, in Deutschland und vor allem im Wandertourismus schien die Nutzung von Blogs noch völlig unberührt. Nachdem ich dann ein paar Wanderblogs recherchiert und genauer angeschaut hatte, packte mich der Ehrgeiz und ich entwickelte daraus ein Promotionsvorhaben. Drei Jahre habe ich mich dann intensiv mit den Wanderblogs beschäftigt und berufsbegleitend meine Doktorarbeit geschrieben.
Was genau hast du bei deinen Forschungen zu den Wanderblogs untersucht und wie bist du dabei vorgegangen?
Ich habe das subjektive Erleben von Wanderern anhand von dokumentierten Erfahrungen in Weblogs analysiert. Zu Beginn habe ich den relevanten Forschungsstand zu den Themen Erleben, Wandern, Qualität und Weblogs in Bezug zum Tourismus und aus unterschiedlichen Forschungsrichtungen zusammengetragen. Dann habe ich Beiträge aus verschiedenen Wanderblogs wie z.B. wanderreporter.de, schlenderer.de, fotografischereisenundwanderungen.de, anders-wandern.de und auf-den- berg.de untersucht.
Es wurde schnell deutlich, dass die bekannten Unterscheidungen des Wanderns nach Wanderinteressen, wie z.B. Genusswandern oder dem sportlichen Wandern, nicht ausreichen, um das Wanderleben umfassend zu charakterisieren. Die Blogbeiträge wurden in sogenannten Inhaltsanalysen analysiert und die Ergebnisse auf drei verschiedenen Ebenen ausgewertet.
Zunächst wurden die Merkmale der Erlebensformen und ihre Intensität charakterisiert. Dann wurde die Ausprägung des Wandererlebens in den Untersuchungsregionen Eifel, Rhein/Mosel, Bayern/Allgäu und Schwarzwald verglichen und die Spezifika der Landschaftsräume herausgestellt. In einer typenbildenden Analyse wurden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Erlebten und das Zusammenwirken der unterschiedlichen Erlebensformen in den einzelnen Erfahrungsberichten der Blogger gegenübergestellt.
Zu welchen Ergebnissen bist du gekommen? Welche Punkte haben sich für dich bestätigt, welche haben dich überrascht?
In den Blogbeiträgen zeigt sich, dass ästhetische Beschreibungen und Bewertungen des Landschaftsbildes im Fokus stehen. In einigen Texten wird auch über historische Besonderheiten und überraschende Entdeckungen berichtet. Vereinzelt tritt eine Art spirituelle Selbstreflexion zutage, bei der das Wandern als Form der Entschleunigung vom Alltagsstress hervorgehoben wird. Schaut man sich die Berichte bestimmter Landschaftsräume, z.B. der Eifel, des Schwarzwalds oder der Voralpen, genauer an, zeigen sich deutliche Unterschiede in der Bedeutung einzelner Ausprägungen des Erlebens, die sich auf konkrete Landschaftselemente zurückführen lassen.
Im Schwarzwald prägen z.B. die Dominanz des Waldes in Abwechslung mit Wasserfällen und Seen sowie die als naturnah beschriebene Wegebeschaffenheit das ästhetische Erleben, während in der Eifel die regionstypische Felsen- und Heidelandschaft und kleine Dörfer die Besonderheiten des erlebten Landschaftsbildes kennzeichnen. Diese Erkenntnisse sind vielleicht nicht besonders überraschend, sie wurden aber bisher nicht systematisch erfasst.
Überraschend war allerdings, dass ich mit Hilfe der Differenzierung der Erlebensformen tatsächlich zeigen konnte, dass jede Wanderung einer individuellen Erfahrung entspricht. In Blogs werden sowohl Erfahrungen beschrieben, die hauptsächlich auf der Auseinandersetzung des Wanderers mit sich selbst basieren, wie z.B. bei der Überwindung körperlicher Herausforderungen, als auch Erfahrungen, die vorwiegend aus dem Erleben des Landschaftsbildes und der Wanderumgebung resultieren.
Insgesamt konnte ich elf neue Erfahrungsarten identifizieren, die die jeweiligen Bedingungen der Wanderung genauer beschreiben und mit Hilfe von tourismuswissenschaftlichen und umweltpsychologischen Theorien erklären. Wer die Erlebensqualität im Wandertourismus verbessern möchte, um Wanderer für seine Region zu gewinnen, der sollte das Wandern differenzierter betrachten. Es genügt nicht, den Genusswanderer vom sportlichen Wanderer zu unterscheiden oder allein die Qualität der Infrastruktur zu bewerten.
Was würdest du Bloggern und Tourismusregionen empfehlen, die über’s Wandern berichten bzw. die ihre Region als Wanderziel bewerben?
Erfahrungsberichte haben vor allem dann einen Mehrwert für andere, wenn der Kontext des Erlebens bestmöglich nachvollziehbar ist, denn der Wanderer selbst ist Gestalter seines Erlebens. Das bedeutet, dass Blogger z.B. darüber informieren sollten, ob sie alleine oder in der Gruppe unterwegs waren, was sie motiviert und welche subjektiven Anforderungen sie an einen Wanderweg stellen.
Häufig werden Wanderwege als leicht, mittel oder schwer bezeichnet. Für andere Wanderer wäre es in diesem Zusammenhang relevant, auf welchen Erfahrungen die jeweilige Einschätzung basiert. Wandert der Blogger hauptsächlich in alpinem Gelände, wird er eine Mittelgebirgswanderung als leicht einschätzen, während die Wanderung für einen unerfahrenen Wanderer eine körperliche Herausforderung darstellen kann.
Das gleiche gilt für Tourismusregionen: Die Verantwortlichen müssen ihre Angebotspotenziale genau kennen und sie so kommunizieren, dass Wanderer wissen, für welche Art von Erfahrung sich die Wanderwege eignen und welchen konkreten Bedürfnissen die Wege gerecht werden. Die klassischen Qualitätssiegel reichen nicht mehr aus, um sich von anderen Destinationen abzuheben. Sie sind ein Nachweis für die Erfüllung einer gewissen Basisqualität, die wir beim Wandern inzwischen voraussetzen.
Um eine hohe Erlebensqualität zu bieten und unerwartete Erlebnisse zu schaffen, müssen auch immaterielle Aspekte berücksichtigt werden, wie z.B. das Gefühl in unberührter Natur zu wandern. Wanderregionen können durch geschickte Wegeführung und einer angemessenen Kommunikation einen Rahmen für das Erleben schaffen.
Am Ende beurteilt jedoch jeder für sich, ob eine Wanderung besonders war, unabhängig von der tatsächlichen Höhe einer Hängebrücke oder der Anzahl Qualitätssiegel, die der Weg besitzt. Genau da setzt meine Forschung an.
Da du über die Perspektive von Bloggern geforscht hast, stellt sich die Frage: liest du selbst gerne Wanderblogs?
Ich lese Blogs inzwischen lieber als Reiseführer. Sie helfen mir, mich für einen Wanderweg oder eine Region zu entscheiden und steigern die Vorfreude auf das, was mich vor Ort erwartet. Manchmal verraten Artikel aber auch schon zu viel von dem, was ich lieber selbst erleben möchte, dann lese ich nur den Anfang.
Welche Wander- & Reiseziele begeistern dich und welcher Wander- bzw. Reisetyp bist du?
Egal ob historische Städte oder Naturlandschaften, jedes Reiseziel begeistert mich auf seine Art. Ich liebe Afrikas Nationalparks, die französische und portugiesische Atlantikküste und Italiens Städte. Die Alpen begeistern mich, aber auch deutsche Mittelgebirge, wie z.B. der Harz oder die Eifel faszinieren mich immer wieder aufs Neue. Ich bin an einem See aufgewachsen. Wahrscheinlich bin ich deshalb immer auf der Suche nach Meer, Seen, Flüssen oder Wasserfällen.
Wenn ich nicht wandern gehe, dann fahre ich Fahrrad oder bin auch mal auf dem Wasser unterwegs. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse meiner Arbeit, fällt es mir schwer mich einem bestimmten Reisetyp zuzuordnen. Ich mache am liebsten die von mir beschriebenen erstrebenswerten und gemeinschaftlichen oder verbindenden (Wander-) Erfahrungen mit meinem Mann, mit Freunden oder mit der Familie.
Franziska, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Spaß beim Forschen – und natürlich beim Wandern und Blogs lesen!
Photocredit: Franziska Thiele
Franziska Thiele ist Senior Analyst beim Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes. Sie studierte Angewandte Geographie mit den Studienschwerpunkten Freizeit- und Tourismusgeographie. In ihrer Promotion analysierte sie touristische Erfahrungen in Weblogs. Zu ihren Hobbies zählen Sport, Natur, Soziokultur und Kulinarik.
Ihre Forschungsergebnisse hat sie in dem Buch Digitale Fußabdrücke – Wandern aus der Sicht von Bloggern zusammengefasst. Es ist im Erich Schmidt Verlag Berlin erschienen.
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Luise Hanson 21. März 2019
Mein Heimatort liegt auch perfekt und bietet alles für Touristen, die in den Bergen wandern möchten. Leider kommen momentan eher Tagestouristen, da der Ort wenig bekannt ist. Hier die Schwierigkeitsstufen der Wanderwege auch beim Marketing aufzugreifen, wäre eine gute Idee, um den Tourismus etwas voranzutreiben.
Dina Knorr 22. Februar 2019
Vielen Dank für diesen Artikel. Ich bin durch Zufall darauf gestoßen, da ich selbst einen Wanderblog betreibe. Besonders interessant ist der Punkt Empfehlungen – das sind genau die Dinge, die ich, wenn ich selber recherchiere, auch wichtig finde und die ich versuche in meinen Wanderbeiträgen umzusetzen. In sofern ein prima Feedback, dieser Artikel.