Im Himalaya im Einsatz – die Ladakh-Hilfe e.V.

Karola Wood Ladakh Hilfe

Die Physiotherapeutin Karola Wood aus Günzburg reiste vor vielen Jahren zum ersten Mal ins Himalaya-Gebirge, um dort einen Freiwilligendienst zu absolvieren. Seitdem hat sie die Region in Asien und vor allem ihre Menschen nicht mehr losgelassen. Sie gründete einen Verein sowie zwei Therapiezentren für behinderte Kinder und ist seitdem im Himalaya im Einsatz. Zu ihren Beweggründen für ihre Arbeit haben wir sie befragt.

Karola, du bist Physiotherapeutin und hast vor vielen Jahren die Organisation Ladakh-Hilfe gegründet. Wie kam es dazu?

Es fing 2002 mit einem Artikel in der deutschen Physiotherapiezeitung an: Gesucht wurden Physiotherapeuten, die es sich vorstellen konnten, im entfernten Himalaya in einem entlegenen Bergdorf das schwer behinderte (Zerebralparese) dreijährige Mädchen Rigzin zu behandeln. Die Medizinstudentin Johanna Komp hatte im Rahmen eines Freiwilligeneinsatzes als Englischlehrerin für buddhistische Nonnen im entlegenen Lingshed das behinderte Kind gefunden und sich dafür eingesetzt, dass es Hilfe bekam. Von ihr stammte der Artikel in der Fachzeitschrift.

Ich wollte schon immer einmal den Himalaya besuchen. Als Physiotherapeutin in einer neurologischen Klinik mit sehr viel Bergerfahrung bereitete ich mich zusammen mit meinem Mann ein Jahr lang auf den Einsatz vor, Johanna Komp half uns dabei. Aus unserem Freundeskreis kam die Anfrage um Mitarbeit und die Anregung, einen Verein zu gründen, um dieses Unternehmen auf solide Füße zu stellen. Wir gründeten den Ladakh-Hilfe e.V., das heutige Rückgrat des Unternehmens.

Im August/September folgte die fünfwöchige Reise nach Ladakh in Nordindien, ein Land im Westhimalaya. Ich brachte viele Hilfsmittel für die arme Bergbevölkerung mit: Kinderschuhe, Kleidung, Medikamente, Verbandsmaterial, nützliche Geschenke, Nahrung, Spielsachen und therapeutisches Werkzeug zur Behandlung von Rigzin. Für uns wurde es eine Reise ins Mittelalter. Wir trafen die freundlichsten Menschen der Erde, begegneten dem Buddhismus hautnah und verliebten uns in das Land der hohen Pässe, seine Kultur und die Einwohner.

Der Abschied fiel schwer, vor allen Dingen von Rigzin, die mir inzwischen sehr ans Herz gewachsen war. Sie lebt allein mit ihrer Mutter, Schwester und Großmutter in sehr armseligen Verhältnissen in einem Bergdorf, das nur über einen 4 Tage langen Treck zu erreichen ist. Ich versprach noch mehr zu helfen. Durch den bisherigen Behandlungserfolg bei Rigzin wurden mir weitere behinderte Kinder vorgestellt mit der Bitte, Hilfe für diese zu organisieren.

Wieder zu Hause kam die Aufarbeitung des Erlebten und das Einlösen des Versprechens: Ich schrieb Zeitungsartikel, hielt Dia-Vorträge und Rundfunkinterviews, um unser Anliegen zu verbreiten und den Freundeskreis zu erweitern. Dann organisierte ich Physiotherapeutinnen, die meine Arbeit in Ladakh an meiner Stelle als Freiwillige weiterführen würden.

Wo genau seid ihr im Himalaya im Einsatz und wie arbeitet ihr vor Ort?

Wir gründeten zwei Therapiezentren: Eines 2009 im eher buddhistischen Leh, ein zweites 2011 im muslemischen Kargil. Seit 2006 stellen wir geeignetes einheimisches Personal an und senden die Leute nach Delhi zu einem Diplomakurs in Physiotherapie. Die deutschen Freiwilligen fördern diese Einheimischen weiter auf einem internationalen Standard der Physiotherapie, üben aber keine übergeordnete Funktion aus.

REWA Society, gegründet von den einheimischen Angestellten und den Eltern der betroffenen Kinder, verwaltet sich selbst. Wir stehen Ihnen zur Seite mit fachlicher Beratung und finanzieller Unterstützung und lenken die Leute in die Richtung der völligen Selbstständigkeit. REWA betreut mittlerweile regelmäßig 300 kleine Patienten mit mittelschweren bis schweren Behinderungen in ganzen Ladakh. Zum Teil finden die Therapien in den Therapiezentren statt, zum Teil über Hausbesuche oder sogenannte Fieldtrips in die entlegenen Gegenden.

Die Erfolge sprechen für sich, immer mehr Patienten werden immer früher gebracht, was eine Frühförderung erst möglich macht. Zusammenarbeit mit allen medizinischen und therapeutischen Institutionen im Land wird sehr intensiv gepflegt.

Karola Wood Ladakh Hilfe Indien

Welche Verbesserungen konntet ihr für die Bevölkerung bisher erreichen?

Das Bewusstsein der Öffentlichkeit gegenüber Behinderungen hat sich grundlegend geändert, seitdem wir im Himalaya im Einsatz sind. Die Kinder werden nicht mehr versteckt, sondern bei Auffälligkeiten sehr bald in die Klinik und zur Therapie gebracht. Dadurch ist Frühförderung möglich und die schweren Spätschäden, die wir anfangs gefunden hatten, lassen sich vermeiden.

Seit 2003 wurden durch die Regierung und andere NGO‘s einige andere therapeutische und schulische Möglichkeiten für die Behinderten in Ladakh geschaffen. Wir gründeten in Kargil eine Sonderschule mit Integration in eine Regelschule für unsere Kinder, somit wird auch Schulbildung für die besonderen Kinder möglich. Das Denken der Bevölkerung konnte sachte weggelenkt werden von religiösen und kulturellen Vorurteilen in Sachen Behinderung durch medizinische Aufklärung und offene, freundliche Begegnung mit den besonderen Kindern. Begegnungsängste konnte abgebaut und Brücken der Kommunikation aufgebaut werden.

Bei unseren Kindern fallen fantastische Therapieerfolge auf. Viele Kinder konnten selbstständig werden, laufen lernen, zur Schule gehen und sich im Familienalltag viel besser integrieren.

Das Kind Rigzin aus Lingshed ist nun ein großes Mädchen von 16 Jahren. Sie lebt mit Mutter und Schwester in Leh. Zwar immer noch schwer behindert, ist sie jedoch bestens versorgt inmitten eines behindertengerechten und wohlgesonnen Lebensumfeld. Ihr Lächeln strahlt heller als die Sonne und ihre Dankbarkeit leuchtet aus ihren unschuldigen Augen. Die Mutter arbeitet als Haushälterin für REWA, die Schwester wird 2017 ein Studium zur Physiotherapeutin beginnen.

Ihr seid regelmäßig auf der Suche nach freiwilligen Helfern. Wen sucht ihr und was sollten die Freiwilligen können oder mitbringen?

Wir suchen nach qualifizierten Therapeuten, vor allem Physios, Ergos, Sonderschulpädagogen und Sprachtherapeuten, die sich auf ein mindestens zweimonatiges Abenteuer in Ladakh einlassen können. Sie sollen mit ihrem Können dem einheimischen Personal beratend und anleitend zur Seite stehen. Die Freiwilligen sollten viel Gelassenheit, Offenheit und Bereitschaft mitbringen, sich auf eine völlig neue Kultur einzulassen, die so ganz anders ist als die unsere. Sie sollten sich auf den Rhythmus der Einheimischen einstellen können und sich den örtlichen Gegebenheiten anpassen.

Welches sind deine persönlichen Zukunftsziele, für dich und für deine Organisation?

Wir leisten Entwicklungshilfe und wollen uns bewusst aus dem Geschehen immer mehr herausnehmen. Ich habe unseren mittlerweile 18 einheimischen Angestellten in den letzten Jahren immer wieder vermittelt, dass ich nach 20 Jahren in Ladakh, also 2023, aussteigen werde. Meine Mitarbeiterin Barbara Forst, seit 2013 fachliche Führung des einheimischen Personals und der Freiwilligen, hört 2020 auf.

Bis spätestens 2023 sollte REWA völlig autark und lokal unterstützt seine Arbeit durchführen können. Wir arbeiten in diese Richtung, hängen aber ein wenig hinterher durch den furchtbaren Papierkrieg in Indien, wo jeder Antrag Jahre dauert zur Durchführung. Auch für eine lokale NGO ist ein langer Weg notwendig, um seine Gemeinnützigkeit zu erhalten, vor allen Dingen in einem abgelegenen Land wie Ladakh.

Wir suchen nun auch viel mehr einheimische Freiwillige aus Indien, die im Himalaya im Einsatz sind, und in den zukünftigen Jahren unterstützen. In Zusammenarbeit mit Einheimischen produzierten wir diesen Sommer ein Video über REWA in Englisch, welches auf dem REWA Society YouTube Kanal zu sehen ist: https://www.youtube.com/watch?v=4RYDm2knrXw

Für mich persönlich ist die Arbeit in anderen Ländern Lebenselixier und ich denke nicht daran, aufzuhören, sondern werde weiter Ausschau halten nach Möglichkeiten, wo ich mit meiner Erfahrung und Begabung nützlich sein kann. Im Moment bauen wir eine Arbeit in Nepal auf, wo wir uns um Erdbebenwaisen kümmern, die in der Dorfgemeinschaft verbleiben…auch da suchen wir nach Freiwilligen, die den Kindern in den entlegenen Dörfern Englischunterricht geben. http://www.emmanuelnepal.org/

Wir sind beeindruckt von deiner Arbeit und wünschen dir weiterhin viel Erfolg.

Mehr über die Projekte der Ladakh-Hilfe, die im Himalaya im Einsatz ist, über den Verein sowie Infos zu den Freiwilligendiensten und Praktika, die man für den Verein absolvieren kann, findet ihr hier: http://www.ladakh-hilfe.de

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Heiko Müller

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