Bericht von Silke Keil Thailand: Meine Zeit als Physiotherapeutin in Thailand Meine Erfahrungen als frisch gebackene Physiotherapeutin in Thailand liegen bereits einige Jahre zurück, aber vielleicht sind sie für den ein oder anderen Weltenbummler doch interessant. Direkt nach dem Examen reiste ich nach Thailand. Durch “Vitamin-B” hatte ich einen einjährigen Arbeitsvertrag des Wellness-Hotels Chiva-Som in Hua Hin, Sommerresidenz des Königs Bhumipol, in der Tasche. Ich lebte mit anderen “Experts”, überwiegend Ausländern aus Australien, in einem luxuriösem Apartmentblock (direkt am Strand mit drei Swimmingpools und Palmengarten). Je nach Stellung und persönlichen Einsatzes verdienten wir Therapeuten 30 – 50.000 Baht netto pro Monat (plus/minus 1000 Euro). Im Vergleich zum Verdienst der Thais war das ein fürstliches Einkommen. Ich war die einzige Physiotherapeutin im Haus und hatte daher völlig freie Hand. Falls nötig, konnte ich bis zu zwei Stunden an einem Patienten arbeiten. Mein Schwerpunkt lag dabei auf Massage, manuelle Therapie, Shiatsu und Bindegewebstechniken. Daneben gab ich Yogastunden und half im Fitnessstudio. Eigentlich ein Traumjob. Und doch war ich nach wenigen Monaten bereits frustiert. Warum? 1. Aus Langeweile: Ich hatte teilweise nur zwei bis drei Patienten täglich 2. Aus ideologischen Gründen: Der Mammon gab den Ton an 3. Aus therapeutischer Hinsicht: Ich konnte mich mit keinem anderen Physiotherapeuten austauschen. 4. Aus persönlichen Gründen: Mir fehlten nach einiger Zeit geistige und emotionelle Anregungen: “echte” Freunde, die auch mal kritisieren und diskutieren, Begegnungen mit kantigen Menschen, die deutsche Kultur mit tiefen Gesprächen, guter Musik und fragwürdiger Kunst, guten Wein, ein wenig Eustress durch neue Pläne und Projekte…. Und so kündigte ich den Einjahresvertrag und reiste nach Chiang Mai, wo ich das schönste und verrückteste halbe Jahr meines bisherigen Lebens verbrachte. Mit Thai Massage. Ich belegte zwei Kurse im “ITM”, einer etablierten, durchschnittlichen Schule, die ich weiterempfehlen kann. Ich weiß aber, dass es heute noch viele andere gute Schulen in Chiang Mai gibt. Wer Interesse daran hat, sollte sich vor Ort informieren. Viele Kneipen und Cafes bieten Messageboards an. Und die Flyer machen ihrem Namen alle Ehre: Sie fliegen dem Besucher förmlich zu. Es arbeiteten drei Thai Massage Meister in Chiang Mai: Chayuth, Pichet und Poo. Alle drei praktizierten die Thai Massage professionell als Therapie – mit unglaublichen und in der westlichen Medizin schwer nachvollziehbaren Erfolgen. Chayuth ist betagt gestorben, Pichet hat seine Schule im Süden von Chiang Mai in “Bhan Chang Kaem” und war dafür berüchtigt, dass er hin und wieder mit dem Geld der Schüler abtauchte. Er ist dennoch “sympathisch” und ein exzellenter Lehrmeister. Gelernt habe ich rund vier Monate bei “Poo” (Itthidet Manarat), der jüngste Meister. Ich durfte bei ihm Zeugin von “Spontanheilungen” werden. So reiste regelmäßig ein Holländer mit Hemiplegie an. Er kam im Rollstuhl und ging zur Tür wieder hinaus. Poo erlebte einen solchen Boom, dass er kaum mehr schlief. Nicht nur unzählige Thais und Ausländer standen vor seiner Tür; an Buddha-Days behandelte er auch hohe Geistliche wie Mönche. Wenn er nicht arbeitete oder Unterricht gab, so betete er stundenlang vor seinem wachsenden Riesen-Altar. Aus dem Glauben holte er sich Kraft für die anstrengende Arbeit. Wir Schüler begleiteten ihn des Öfteren zu buddhistischen Klöstern, an denen wir Buddha, Boddhisatwas und Mönchen huldigten. Leider kamen wir auch mit Voodoo in Berührung… Heute unterrichtet Poo in seinem etwas entlegenen Zuhause in einem Chiang Maier Wohnviertel. Er hat seine Arbeitszeit reduziert und widmet sich vermehrt seiner Religion. Wer die Thai Massage nicht nur als angenehme Massage, sondern deren therapeutische Wirkungsweise erfahren möchte, ist bei ihm an der richtigen Adresse. Er sollte sich jedoch einige Wochen Zeit nehmen. Schnellkurse gibt es bei Poo nicht. Und das ist gut so. Silke Keil