Bericht von Nadia Russek, nadia.russek@live.de
Panama/Costa Rica: Auge in Auge mit Kaimanen
 
Mit dem Schiff auf Weltreise – ein Schuljahr auf See
Die High Seas High School ist ein Schulprojekt der Hermann Lietz Schule in Spiekeroog. Sie ermöglicht jungen Erwachsenen der 11. Klasse der gymnasialen Oberstufe ein Lernen und Leben auf hoher See. Um die halbe Welt segelt dabei das Schiff mit den Schülern, den Lehrern und der Segelmannschaft. Der folgende Reisebericht handeln vom Leben auf See und an Land: (Reiseroute: Kiel – Nordostseekanal – Brunsbüttel – Helgoland – Guernsey – Teneriffa – Palm Island – Tobago Cays – San Blas Islands – Martinique – Costa Rica – Kuba – Mexiko – Bermudas – Azoren – Tershelling – Borkum – Emden)
Kollisionen und andere Risiken auf hoher See (Karibik) Auf dem Weg vom europäischen zum mittelamerikanischen Kontinent ist der Großsegler „Thor Heyerdahl“ nach langer Atlantiküberfahrt in der Karibik angekommen und hat mittlerweile eine rund 6000 Seemeilen lange Reise hinter sich. Uns Schüler stand währenddessen eine wichtige Aufgabe bevor. Uns wurde das Kommando über das Schiff übergeben. Unter eigener Führung galt es nun das dritte Etappenziel, die französische Insel Martinique, ohne Anleitung, zu erreichen. Bei den Tobago Cays, den unbesiedelten Inseln im südlichem Teil der Karibik vor Anker liegend, verteilten wir in einer mehrstündigen Schülerversammlung alle Aufgaben und Positionen untereinander.
Verpflegung, Projektleitung, Internetpräsentation und Müllentsorgung lag nun komplett in unseren eigenen Händen. Würde Maik uns, den wir aufgrund seiner seemännischen Kenntnisse und Vorerfahrungen zum Kapitän auserkoren haben, uns sicher nach Martinique bringen? Würde unser Navigator Tim die beste und kürzeste Route wählen, um den Ankunftstermin einhalten zu können? Würden die Wachführer die ganze Zeit für Sicherheit und die richtigen Segelmanöver sorgen? Würden wir verhungern oder leckeres, warmes Essen bekommen? Um 14h ertönte das Signal zur Schiffsversammlung an Deck. Nun endlich stach die „Thor“ von uns geführt in See. Gar nicht so einfach war das geplante Manöver – der Wind kam aus der ungünstigsten Richtung und drückte unser Schiff, sobald der Anker gelichtet war, direkt auf ein Riff. Alles musste nun schnell gehen. Wir setzen Bram- und Marssegel, um sofort mit genügend Segeldruck und Fahrt den Ankerplatz zu verlassen.
Doch ein zweites Hindernis rückte in Sicht: Eine große Luxusyacht. Schülerkapitän und Navigator hatten das Manöver genau berechnet, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, dennoch musste Kapitän Soitzek im letzten Moment eingreifen, weil die „Thor“ einfach nicht reagierte. Das Ruder wurde schnell hart backbord geholt und die „Thor“ segelte mit knappen Abstand am Heck der Motoryacht vorbei. Die angespannten Gesichter der Yachtbesatzung waren diesen kleinen Patzer aber auf jeden Fall wert. Jetzt ging es vor allem um den nahtlosen Übergang der Wachwechsel und Segelbetrieb, um strukturierte Organisation und darum, dass jeder seine zugewiesene Position zu gut wie möglich ausfüllte.
Ziel war es um 11h am Sonntag in Port du France in Martinique anzukommen. Es wurden Segel gesetzt und wieder geborgen, dann fuhren wir mit hoher Manschinenunterstützung zur Insel St. Lucia, bis unser Kapitän Maik ungnädig um 6.30h morgens „All hands on deck!“ rief. Eine Halse wurde gefahren, um ein letztes Mal den Kurs zu optimieren und letzte Knoten Geschwindigkeit aus dem Schiff rauszuholen. Doch 100 Seemeilen und 24h später lief die „Thor“ auf Martinique ein. Stolz und Freude überkam uns. Wir waren im Herz der Karibik gelandet und nun endlich nach getaner Arbeit konnten wir uns auf die Insel der Kreolen stürzen. Eroberung des Paradieses auf den San Blas Islands (Panama)
Nach einiger Zeit konnten wir unsere kleine Inselerkundung kaum weiterführen, da direkt am Ufer Bäume den Weg versperrten. Natürlich sollte dies dennoch kein Problem für uns darstellen und so stiefelten wir im Wasser weiter – so weit so schön und gut – es wurde aber unangenehm als vermehrt Seegras auftrat und die Gegend unter Wasser immer dichtbewachsener und dunkler wurde. Recht mulmig wurde es mir dann doch als der weniger schlaue Einwurf kam, dass hier wohl ein ideales Milieu von Süßwasserkrokodilen ist sowie sie gestern am Bug zu sehen waren. So retteten wir uns dann – Gott lob – schnell und auch rechtzeitig an das sichere Ufer der Trauminsel.
Vor uns Bambushütten unter Palmen und Grillstellen, auf denen die Kuna Indianer, die hier ihr von der Regierung zugewiesenes Reservat haben in einfacher, doch durch die Klimaverhältnisse wunderbar ausreichender Weise leben. Dieses Reservat wurde ihnen von der panamaischen Regierung zugesprochen und so leben sie hier von Fischfang, dem Verkauf von Kokosnüsse, die auch als Währung gelten und dem Besticken der berühmten Kuna – Muster und Stoffe, die Abbildungen ihres Glaubens und der Schöpfungsgeschichte der Welt enthalten.
Später – zurück auf der „Thor“ – berichtet uns die Mannschaft der „Grete“, Freunde von unserem Kapitän Detlef, die steuerboards bei uns festmachten mehr von den Kunas, ihrer Lebensweise und ihren Hilfsprojekten für ein besseres Gesundheitsverständnis vor Ort – so erfahren wir in diesem, vielleicht eines der letzten Paradiese der Erde auch immer zwischen Tradition und westlicher Lebensweisen – und Vorstellungen leider ein bisschen Kolonialgeschichte.
Auge in Auge mit Kaimanen und Brüllaffen (Costa Rica, Westküste, Nationalpark Corcovado) Nam Strand der Pazifikküste von Costa Rica muss ein durch die Flut immer schmaler werdender Engpass überwunden werden, um unser Ziel, die Regenwaldstation im Nationalpark Corcovado zu erreichen. Das Meer brandet bereits bis knapp an die Felswand als wir die schmale Passage über steile Klippen und scharfkantige Felsen erreichen. Eine halbe Stunde später hätten wir mit unsere Rücksäcken um die Felsen schwimmen müssen. Nachdem es der letzte geschafft hat überschwemmt auch schon die Flut den Weg hinter uns. Der Weg führt in der Dämmerung weiter durch den dichten Regenwald mit Papageien, Schildkröten und Brüllaffen und Schlangen zu einer Lagune.
Wir tragen die Rucksäcke über den Köpfen und waten durch das Wasser, das uns schließlich bis zur Brust reicht. Kaimane sollen am anderen Ende der Lagune sein, weißt uns der Guide des Nationalparks Corcovado an dieser Stelle hin. Doch sicher kommen wir am anderen Ufer an und waten weitere Stunden durch die mittlerweile tiefschwarze Dunkelheit und kommen dann schließlich an der Regenwaldstation des Parkes an. Die folgenden Tage sollen den biologischen Expeditionen durch den Wald West Costa Ricas dienen, um geographischen und biologischen Unterricht hautnah zu erleben. Doch zunächst fallen alle Regenwaldbezwinger völlig erschöpft und müde auf die Matratzen und in die Hängematten in der Station vom Geschrei unsichtbarer Tiere der Nacht umgeben. Erholung bei Hippies und Ufosuchern nach Strapazen im Regenwald (Costa Rica, Westküste) Es war einfach so eine Art von Stimmung, dass sie alle Fremden und auch mich in ihren Bann zog. Der Pazifik spülte in unsere felsumsäumte Bucht immer wieder mit unaufhaltsamer Kraft Wellen an den Strand und es war einfach schön, diesem Spiel von Wind und Wasser zu zuschauen. Ganz unseren Vorstellungen nach, war Montezuma der Ort, den wir wohl insgeheim zu viert in unserer einwöchigen Expeditionstrip – Gruppe nach den Strapazen im Regenwald gesucht hatten.
Ein lockeres Flair begegnete uns schon am frühen Morgen auf der Hauptstraße zu unserem Café: Ein Obstwagen stand an der Straßenseite, wollte den Passanten frische Früchte verkaufen. Straßenhändler saßen im Schatten der Kokospalmen und boten alle möglichen Waren, von Bernsteinketten bis zu bunten Stirnbändern an und irgendwie hatte der Ort auch etwas mystisches mit Gewitterleuchten am Horizont über dem Meer und Ufosuchern am Strand und so nutzten wir die Tage in unserer kleinen Gruppe für Erholung in diesem bunten Hippiedorf voll aus.
Tortuguero – Aufenthalt in der Regenwaldapotheke  Plötzlich musste sich unsere Reiseart aufgrund der natürlichen Beschaffenheiten der Umgebung ändern. Vor uns das Dickicht des Regenwaldes und zu unseren Füßen mündete ein braunes Gewässer in einer Art großem Tümpel. Jetzt war klar, dass dieser Wassergraben vor uns war ein Endläufer der berüchtigten Kanäle ist, die sich als ganzes Kanalsystem durch den Nationalpark im Regenwald von Tortuguero ziehen. Und ganz normal war er auch nicht – unser „James Bond Trip“ – als wir dann alle in drei Langboote samt unserem Gepäck saßen und mit „High Speed“ durch das Kanalsystem düsten. Auf benebelten Dschungeltrials erlebten wir später mit Mario, dem costa-ricanischen Rasta und Schamanen indigener Abstammung, Pflanzenkunde … Mario zeigte uns die wichtigsten Heilpflanzen gegen jegliche Art von Beschwerden. Er als „Rasta“ und als Costa-Ricaner indigener Abstammung versucht, das alte Wissen über die natürlichen Heilmittel im Wald zu bewahren und sucht dafür auch immer wieder nach der Bestätigung für seine These, dass nämlich die moderne Medizin in vielem weit hinter der Naturmedizin liegt. Chrissi bekam gegen ihre Hautinfektion eine grüne gemörserte Pflanzenpampe aufgelegt, Andre musste wegen Erkältung Zitronengras-Tee mit Hibiskusblüte trinken Mario erzählte uns, dass die Naturvölker und Schamanen, die über viele Tausende von Jahren Erfahrung mit dem Wald haben, einfach sehr genau wissen, welches Grüngewächs für welche Heilung notwendig ist.
Leider – so erzählte er uns – gäbe es in ganz Costa Rica niemanden mehr, der dieses Wissen noch so umfangreich hat, wie die alten Schamanen. Und der Letzte, der sich wirklich auskannte, sei vor zehn Jahren gestorben. Das ist sehr traurig, denn mit ihm ist vielleicht eine Menge von Wissen verloren gegangen, dass erst wieder viele Jahre brauchen wird, bis es wiederentdeckt wird. Im Laufe der folgenden Tage entwickelten sich dann dank Marios Regenwaldapotheke die Beschwerden aller Dschungelpatienten zurück […]
Wer wissen möchte, wie die Reise mit dem Schiff zu Ende ging – hier geht es weiter: Teil 3
Mehr zum Projekt:
Nadia Russek
Übrigens: Hier berichtet Nadia vom Start der Reise: Teil 1