Text von Ursula Weibler
Nicaragua: Engagement und Herzlichkeit in Nicaragua Sieben Wiesbadener starteten frühmorgens am Frankfurter Flughafen zur Bürgerreise des Vereins Nueva Nicaragua nach Ocotal in Nicaragua. Nach fast 24 Stunden kamen wir in Nicaraguas Hauptstadt Managua an, um festzustellen, dass von acht Koffern immerhin einer (!) angekommen war. Das konnte unseren Reiseführer Oliver von Vapues Tours, der uns mit einem großen Schild „WIESBADEN“ am Ausgang erwartete, nicht beeindrucken: „Das macht nichts, man braucht hier in Nicaragua sowieso nicht viel Zeugs; wir kümmern uns um eure Koffer und ihr macht Urlaub.“ Und so kam es dann auch: mit ganz viel gespannter Erwartung auf Land und Leute ging”s am nächsten Tag los nach Norden, vorbei an kleinen Ansiedlungen, den Städten Sebaco und Esteli, Reisfeldern und Tabakanbauflächen. Bis die ersten Pinien auftauchten, Zeichen für die Region Nueva Segovia und deren Hauptstadt Ocotal. In Ocotal erfuhren wir einen überaus herzlichen Empfang unserer Partner und der Stadtverwaltung. Auf einem Stadtrundgang kamen wir vorbei an dem neuen Markt und Busbahnhof, dem neuen Rehabilitations-Zentrum für behinderte Kinder und Jugendliche, dem wunderschönen Stadtpark, der Kirche, vielen belebten Straßen und kleinen Geschäften. Im Barrio Pueblos Unidos wurden wir mit dem Problem der Landnahme an vollkommen ungeeignetem Ort konfrontiert, das der Bürgermeister Norori mit Geduld und zähen Verhandlungen zu regeln versucht – wie er uns auf dem Empfang abends im Ausbildungszentrum, einem der Projekte des Vereins Nueva Nicaragua, erzählte. In den Folgetagen besuchten wir weitere Partnerschaftsprojekte des Vereins: die Kinderbibliothek, die Casa Matera, das Altersheim, das Montessori-Pilotprojekt, die im Bau befindliche Casa entre Nosotras für Opfer häuslicher und sexueller Gewalt. Die Chefin des Frauenkommissariats in Ocotal, die dieses Haus mit Nachdruck unterstützt, beeindruckte uns mit ihrer Entschiedenheit. Ein besonderer Höhepunkt war der gemeinsame Auftritt des Kinderzirkus Ocotal mit seinem Partnerzirkus aus Bierstadt. Die Spielfreude und gleichzeitige Konzentration, mit der die Kinder und Jugendlichen ans Werk gingen, waren begeisternd. Natürlich fehlte auch nicht ein Besuch auf der Kaffee-Finca, die zukünftig Wiesbaden mit Kaffee beliefern wird, und eine Vorführung der hochprofessionellen Kaffeeverarbeitung in einem Beneficio in der Stadt. Ein Besuch im Krankenhaus der Stadt, das als einziges Krankenhaus die gesamte Region versorgt, entließ uns nachdenklich: räumliche Enge, fehlende Ausstattung und ein altes, schwer zu pflegendes Gemäuer. In der Geburtshilfe sahen wir, dass viele Betten mit jeweils zwei Frauen belegt werden mussten. Eine junge, 17-jährige Frau in der Pädiatrie kam mit ihrem kleinen Kind aus der Nähe von Murra, vier Wegstunden mit dem Auto und nochmals zwei Stunden Fußweg hatte sie zurückgelegt, um in dieses Krankenhaus zu kommen. Die anschließende mehrtägige Rundreise durch Nicaragua führte uns über die Orte Leon, Masaya, Granada und Ometepe zurück nach Managua. Dabei sahen wir heiße Quellen, bestiegen Rauch speiende Vulkane, erklommen hohe Wasserfälle, durchwanderten einen Petroglyphen, fuhren auf dem Boot durch einen Mangroven-Wald und trafen auf Krokodile, Brüllaffen, eine Vielfalt von Vögeln und Schmetterlingen und waren hingerissen von der Schönheit des Landes. Am meisten eingenommen hat uns aber – gerade angesichts der Armut und aller Einschränkungen – die Herzlichkeit und Lebensfreude der Menschen, mit denen wir in Kontakt gekommen sind. Sie sind es, die sich in unsere Gedanken eingeschlichen haben und dort wohl auch einen festen Platz behalten werden. Übrigens: Die Koffer kamen auch irgendwann an, aber das war dann nicht mehr so wichtig… Ursula Weibler