Text von Gerhard Huber
 
 
 
Haiti/Hawaii: Literarisch unterwegs mit Fichte und Twain
 
1. Hubert Fichte – Ethnopoesie aus Haiti
 
Der Großangriff auf Hamburg im Jahr 1943 traf auch den Tierpark Hagenbeck, so dass Elefanten und Zebras, aber auch Spinnen und Schlangen in die umliegende Nachbarschaft flüchteten. Für den damals Achtjährigen Hubert Fichte war das ein einschneidendes Erlebnis und er erahnte bei all dem Kriegsschrecken vielleicht zudem etwas von der Faszination und Exotik der Fremde, die ihn später so stark in ihren Bann ziehen sollte. Hubert Fichte wurde am 21. März 1935 in Perleberg geboren, und wäre 2010 somit 75 geworden. Er wuchs in Hamburg und Schrobenhausen auf und versuchte sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Kinderdarsteller. Zwei Jahre lebte Fichte von 1952 an in der Provence als Schafhirte und Helfer in einem Weinberg und machte danach eine landwirtschaftliche Ausbildung in   Deutschland und Schweden. Ab 1961 lebte er dann mit der Fotografin Leonore Mau zusammen in Hamburg und veröffentlichte 1963 den Erzählband »Der Aufbruch nach Turku« und lebte fortan als freier Autor. Neben der Faszination für die Randgesellschaft und Subkultur der Hamburger Szene (literarisch umgesetzt in dem Roman »Die Palette«), stillten Reisen nach Afrika und vor allem in die Karibik die Sehnsucht nach den ebenso fremden Kulturen außerhalb des eigenen Landes. Dabei unternahm er regelrecht systematisch-wissenschaftliche Studien; jedoch sah er sich nie als Ethnologe, Anthropologe oder Psychologe. So näherte er sich den afro-amerikanisch-karibischen Kulturen und Religionen wie dem Vaudou auf Haiti über den Spracherwerb, Beobachter von Ritualen der Einheimischen, deren Vertrauen er zuvor gewonnen hatte. Hubert Fichte war kein Ethnologe oder anderweitiger Wissenschaftler, war auch nicht einfach »nur« Tourist. Er versuchte dem Fremden, dem Anderen so nahezukommen wie nur möglich und verarbeitete seine Erlebnisse in vornehmlich literarisch-poetischer Weise, was seinen Werken wie »Xango« oder »Petersilie« die Bezeichnung »Ethnopoesie« eintrug. 1974 schließlich begann er einen Romanzyklus, der 19 Bände umfassen sollte und den Titel »Geschichte der Empfindsamkeit« trägt und unvollendet geblieben ist.  Hubert Fichte verstarb am 8. März 1986 in Hamburg. Fichtes Ethnopoesie ist nicht unbedingt leicht zugänglich und gerade seine collagenhaften Werke wie »Xango«, in dem sich journalistische mit romanhaften, lyrischen Elementen mischen, sind keine Pauschalreise in die Welt des Autors. Doch ist das gesamte literarische Schaffen Fichtes geprägt und durchzogen von seiner unstillbaren Sehnsucht, Neugier und Faszination das Fremde betreffend. So lohnt es sich durchaus, diesen Spuren Fichtes zu folgen, weckt es vielleicht die eigene Reiselust. Werkauswahl: – Xango. Die afroamerikanischen Religionen II. Bahia Haiti Trinidad. Fischer Verlag Frankfurt 1976 – Petersilie. Die afroamerikanischen Religionen IV. Santo Domingo Venezuela Miami Grenada Fischer Verlag Frankfurt 1980 – Psyche. Anmerkungen zur Psychiatrie in Senegal. Qumran Verlag Frankfurt 1980 – Lazarus und die Waschmaschine. Kleine Einführung in die afroamerikanische Kultur. Fischer Verlag Frankfurt 1985 2. Mark Twain – Post aus Hawaii Samuel Langhorne Clemens war ein Mann, der schon zu Lebzeiten von sich Reden machte, wenn auch zumeist unter dem Pseudonym Mark Twain. Ein Name, den Clemens sich in Erinnerung an seine Zeit als Mississippi-Steuermann gegeben hatte (und der »zwei Faden (tief)« bedeutet). Der Schriftsteller und Journalist wurde am 30. November 1835 geboren, nur wenige Tage, nachdem der Halleysche Komet wieder zu sehen war. Ein von Widersprüchen geprägter und unkonventioneller Geist war dieser Mann, der bereits früh Reisen unternahm, quer durch die USA, aber auch nach Europa und in den Nahen Osten. Ein Weltenbummler, der mit spitzer Feder schrieb und scharfem Verstand und Mutterwitz agierte.
»Der Bericht über meinen Tod war eine Übertreibung« ließ Mark Twain verlauten, als Meldungen über seinen vermeintlichen Tod laut wurden. Mark Twain verstarb am 21. April 1910, nur einen Tag, nachdem der Komet erneut erschienen war; genau wie Mark Twain es sich gewünscht hatte. Und auch nach seinem Tod macht(e) Mark Twain immer wieder von sich reden. Vielleicht auch wegen des Kometen hatte Mark Twain fiktive Auftritte in der »Flusswelt«-Romanserie des Science Fiction-Autors Philip José Farmer oder auch in einer Fernsehfolge von »Star Trek – The next generation«. Vor allem auch im Doppeljubiläumsjahr 2010 – 175. Geburtstag und 100. Todestag – nimmt Mark Twain den Leser wieder auf besondere Reisen mit und meldet sich gewissermaßen noch einmal “persönlich” zu Wort: der Mare-Verlag veröffentlichte anlässlich des Todestages Mark Twains Briefwechsel aus Hawaii, wo der Autor 1866 als Korrespondent tätig war. Zudem endete 2010 die Sperrfrist, mit der Samuel Langhorne Clemens seine Autobiographie versehen hatte. Erst 100 Jahre nach seinem Tod durfte diese veröffentlicht werden und so erschien 2010 der erste Band. – Mark Twain. Post aus Hawaii. Hrsg. u. übers. v. Alexander Pechmann. Mare Verlag Hamburg 2010.  ISBN 978-3866481305  – Autobiography of Mark Twain. Volume I: 1. Mark Twain Papers. Hrsg. v. Harriet Elinor Smith.  ISBN 978-0520267190 
 
 
Gerhard Huber