Bei unserer Ankunft in Takoradi wurden wir (wie auch sonst so oft) vom Taxifahrer durch einen horrenden Fahrpreis übers Ohr gehauen. Da wir als Rucksacktouristen am späten Abend auf das Taxi angewiesen waren und das Verhandeln nicht zu unseren großen Stärken gehört, mussten wir die hohen finanziellen Forderungen in Kauf nehmen. Dafür wurden wir am Ziel jedoch sehr entschädigt. Wir folgten nämlich einem Geheimtipp aus unserem Reiseführer und nahmen uns ein Zimmer außerhalb der Ortschaft. Dabei handelte es sich um eine Traumunterkunft direkt am Strand. Die salzige Luft, das Meeresrauschen, der saubere feinkörnige Strand und die Palmen mit den großen Kokosnüssen ließen erstmalig richtige Urlaubsgefühle aufkommen. Das war einfach ein Ort zum Wohlfühlen. Doch durch unseren engen Zeitplan konnten wir nicht ewig in diesem Paradies verweilen. Also fuhren wir in einem klapprigen Tro-Tro nach Cape Coast. Bei diesem typischen und sehr preiswerten Verkehrsmittel handelt es sich um einen ausgeschlachteten Kleinbus, der wirklich erst startet, wenn alle Platzkapazitäten restlos ausgenutzt.
Cape Coast bot uns nun wiederum das Kontrastprogramm zur unberührten Natur. Wir waren zurück in einer dreckigen und stinkenden Stadt. Obwohl es sich um eine Küstenstadt handelte, wurde das touristisch reizvolle Flair keineswegs genutzt. Die verfallenden Häuser erinnerten daran, dass die Stadt schon bessere Zeiten gesehen hatte. Der Strand diente als Müllkippe und leider auch viel zu oft als öffentliche Toilette. In unserem Hotel gab es zwei Tage lang nur Wasser aus dem Eimer, wodurch ich in den zweifelhaften Genuss kam, mir auch mal die Haare in selbigem zu waschen.
Sehr schnell waren Chris, Hagen und ich uns einig, dass ein Besuch im benachbart gelegenen Regenwald Pflicht ist. Der Ausflug in den Kakum Nationalpark erwies sich dann wiederum als Volltreffer. Wir genossen den herrlichen Ausblick beim Überqueren des Canopy Walkway, eines in Baumkronenhöhe eingerichteten Hängepfades, und erfuhren anschließend bei einer kleinen Privatführung Wissenswertes über die Flora und Fauna des Regenwaldes.
Zurück in der Stadt setzten wir uns am nächsten Tag mit einem traurigen Kapitel des Landes auseinander. Im Museum zur Sklavengeschichte Westafrikas sahen wir nicht nur erdrückende Zeugnisse, sondern nahmen auch an einer sehr lebendigen Führung durch die Sklavenburg, dem größten Umschlagplatz der Welt, teil. Dass Menschen wie Vieh behandelt und gequält wurden, beschaffte uns Gänsehaut und Schuldgefühle. Schließlich war der Sklavenhandel ein Ergebnis der europäischen Invasion.
Doch da die Zeit drängte, mussten wir die Küstenstadt verlassen. Unsere Reiseroute führte uns über Accra nach Akosombo. Von dort aus wollten wir auf einem Schiff den Voltasee überqueren. Dieses letzte Reisehighlight war jedoch spektakulärer als erwartet. Wir hatten das Vergnügen bei Selbstversorgung ca. 31 Stunden auf dem Außendeck einer Fähre zu verbringen und nie zu wissen, wo wir uns befinden. Es gab keine Informationen darüber, welche kleine Insel wir anliefen und wann wir wieder ablegen würden. Es war eine Fahrt ohne jeglichen Komfort, bei der man sogar das Toilettenpapier mitbringen musste. Auf dem Schiff gab es nur ein WC für alle Passagiere. Doch schließlich befanden wir uns ja auch auf einer Frachtfähre, die primär den Marktfrauen zumWarentransport diente.
Der künstlich angelegte Voltasee mit den vielen „Flutopfer“-Bäumen mitten im Wasser bot aber eine tolle Kulisse, die für viele Unannehmlichkeiten entschädigte. Dennoch war die Fahrt sehr Kräfte zehrend. Die Rücktour im überfüllten, lauten und zugigen Tro-Tro tat dann ihr Übriges. Wir kehrten nach mehrstündiger Reise völlig erschöpft nach Accra zurück. Die Strapazen der letzten Wochen hinterließen nun gesundheitliche Spuren. Chris und Hagen verbrachten daher den erstenTag in der Hauptstadt, von einer Erkältung und Durchfall gequält, im Bett. Konnte ich an diesem Tag noch als Nahrungsmitteleinkäuferin glänzen, die per Mail auch die Familie über Essenswünsche informierte, lag ich dafür am nächsten Tag geschwächt im Bett. Hagen und Chris ging es wieder besser, so dass sie sich das sehr schöne Campusgelände inAccra ansehen konnten. Doch für weitere Streifzüge durch die Stadt fehlte uns die Zeit. Am 21. Juli trafen wir uns mit Micha und zwei unserer einheimischen Reisebekanntschaften, um am Flughafen Abschied zunehmen.
Abschließend lässt sich sagen, dass Ghana mir nicht nur einen neuen Blickwinkel auf unser Luxusleben in Deutschland ermöglicht, sondern mir auch geholfen hat, einige Gewohnheiten zu hinterfragen. Leider ist es extrem schwer, die vielfältigen Eindrücke auch nur annähernd wiederzugeben. Meine Empfehlung zum Schluss: Bereist das Land einfach, um euch eine eigene Meinung zu bilden! Es lohnt sich.
Antje
Bericht von Antje
Ghana: Eine Reise, die den Horizont erweitert
Nach einjähriger Prüfungszeit hatte ich endlich mein heiß ersehntes Erstes Staatsexamen in der Tasche und wollte nun mit meinem Freund Hagen und meiner Freundin Chris die Welt erkunden. Was lag also näher als unseren Basketballtrainer Micha zu besuchen, den es nach Ghana verschlagen hatte? Denn wenn man schon einen Freund in der Fremde hat, sollte man diese Urlaubschance nutzen, weil man Eindrücke gewinnen kann, die einem typischen Touristen verborgen bleiben.
Unser Flieger hob also am 28. Juni in Frankfurt am Main ab. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Dubai und einer Flugdauer von 23 Stunden holte uns ein etwas abgemagerter und sich nur sehr langsam fortbewegender Micha ab. Scheinbar musste sich Micha erst wieder an unsere deutsche Hektik gewöhnen. Doch nach 23 sonnigen Tagen, die uns in Ghana zur Verfügung stehen sollten, war uns dann auch klar, wie es zu dieser Bedächtigkeit kam. In Ghana ticken die Uhren nämlich etwas anders. Man nimmt sich aufgrund der Hitze einfach mehr Zeit für alles. Daher kann es sein, dass auch Verabredungen oder Abfahrtszeiten um ein paar Stunden variieren.
Abgesehen vom ständigen Warten waren auch die optischen Eindrücke zunächst ziemlich verwirrend. Kumasi, Michas neue Heimatstadt, war nicht nur laut und geschäftig, sondern es lag auch überall Müll herum. Zusätzlich sorgte die offene Kanalisation für völlig neue Geruchserlebnisse, denen man täglich ausgesetzt war. Ziemlich schnell wurde uns Dreien bewusst, dass wir doch ein idyllischeres Bild von Afrika in den Köpfen hatten und es schwer war, mit der Realität umzugehen. Nicht nur die Hitze und der Gestank machten uns zu schaffen, sondern auch die Armut der Menschen. Ein Großteil der Bevölkerung von Kumasi lebt in Häusern, die an Slums erinnern. Doch trotz der augenscheinlichen Armut erwiesen sich Michas Freunde als ausgezeichnete Gastgeber. Sie kochten extra für uns landestypisch, in einer geschmacklich etwas abgemilderten Form. Vermutlich hätten unsere europäischen Mägen auf das sonst extrem scharfe Essen empfindlich reagiert.
Besonders beeindruckt waren wir von Michas Arbeit im Krankenhaus. Jeweils circa dreißig Patienten lagen in einem Saal, so dass Privatsphäre eine Illusion war. Wer sich über deutsche Krankenhäuser beschwert, dem empfehle ich einen Besuch in Ghana. Es stinkt erbärmlich und die hygienischen Bedingungen sind mangelhaft. Ich habe mich trotzdem durchgerungen, Micha einen Tag lang bei seiner Arbeit zu begleiten. Dabei habe ich zum einen festgestellt, dass die ghanaische Lebensweise ein effektives Arbeiten enorm erschwert, denn langes Warten auf Ärzte oder die Suche nach dem richtigen Patienten aufgrund von „Absprachefehlern“ gehören zur Tagesordnung. Zum anderen habe ich aber auch Bilder gesehen, die ich so schnell nicht mehr vergesse. Da lag einzwanzigjähriger Mann, der total abgemagert war und scheinbar nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen schien, in seinem eigenen Urin. Die Krankenschwestern fühlten sich dafür nicht zuständig. Micha hat trotzdes beißenden Gestanks die Übungen mit ihm gemacht und die Schwestern anschließend angewiesen, für Sauberkeit zu sorgen. Ich bewundere Micha sehr für sein Engagement und Durchhaltevermögen. Er erzielt enorme Fortschritte bei seinen Patienten, erntet dafür viel Dankbarkeit und kann hoffentlich auch nachhaltig durch seinen Einsatz bei der Schulung von Therapeuten und Schwestern viel bewegen.
Wir waren jedoch nicht nur in Ghana, um Micha zu besuchen, sondern auch um das Land zu erkunden. Daher führte uns die erste Fahrt in den Norden nach Tamale. Die Stadt war schon eher touristisch angehaucht. Es gab nicht nur mehr Restaurants, sondern auch viele Fahrräder und einige Sehenswürdigkeiten. Wir statteten dem Nationalpark einen Besuch ab, wo ich die Gelegenheit hatte, meine erste Safari zu Fuß zu absolvieren. Die Natur war unbeschreiblich schön und die Tierwelt faszinierend. Dank unserer ghanaischen „Führerin“ Evelyn, die uns die Heimatregion ihrer Familie zeigte, kamen wir auch in den Genuss, zwei Radiostationen zu besichtigen und einer Livesendung beizuwohnen, was in Deutschland ohne Voranmeldung so niemals denkbar gewesen wäre. Nach einem erneuten Zwischenstopp bei Micha in Kumasi beschlossen Hagen, Chris und ich einen Abstecher in den Süden zu machen, um auch die Küste zu erkunden.