Bericht von Nadia Russek, nadia.russek@live.de
Der folgende Reisebericht wurde von der Autorin im August 2009, also vor den demokratischen Umbrüchen (“Arabischer Frühling”) im Jahr 2011, geschrieben. Über die derzeitige Lage im Land hat die Autorin keinen Einblick – für aktuelle Informationen zur Reisesicherheit in Tunesien verweist sie auf die Webseite des Auswärtigen Amtes.
Tunesien: Brichst du auf gen Orient – so schütze dich die Fatima
„Ihr fehlt uns“, hörten wir oft unterwegs – ihnen (den Menschen) und ihrem Land – und so kommen wir ab von dem Auftrag unserer Reiseagentur und suchen insgeheim Antworten auf „größere“ Fragen. Dabei war Tunesien vor nicht allzu langer Zeit bei deutschen Reisenden sehr beliebt. Doch seit den Attentaten auf der Insel Djerba im Jahr 2005 kommen weniger Touristen aus Westeuropa nach Tunesien. Ein Land, das gerade und hauptsächlich vom Tourismus lebt. Zehn Tage bin ich mit einer Freundin unterwegs. Als Reiseverkehrskauffrauen haben wir Gelegenheit für unsere Reiseagentur Fragen vor Ort über Land und Leute, Gegebenheiten und Möglichkeiten für den Reisenden zu recherchieren. Recht heiß ist es, als wir nachts um 23 Uhr in Monastir landen und uns der tunesische Tour-Operator abholt für die erste Nacht im Orient. Entlang des Strandes fahren wir nach Sousse. Unterwegs sehen wir Zelte, Tarps und viele Menschen am Strand. Aus der Wüste und dem „heißen“ Landesinneren kommen diese Menschen, um hier in den Sommermonaten frische Meeresluft zu bekommen. Die Menschenmassen werden, je weiter wir nach Sousse kommen, dichter und lebhafter. In den Straßen Musik. An den Strandpromenaden unterhalten sich die Jugendlichen. In zahlreichen Cafés und Restaurants wird diskutiert, entspannt, gespielt oder getrunken und geraucht. Erschöpft vom Hinflug fallen wir wenig später in die Betten des Hotels, um am nächsten Tag mit besten Kräften unsere Recherchen zu beginnen. Insgesamt werden wir in diesen Tagen auch feststellen, dass wirklich vorwiegend osteuropäische und tatsächlich wenig westeuropäische Touristen in den Hotels sind. Bei all dem kann man, angefangen vom Hotelmanager bis hin zum Kinderanimateur jedoch auf die Gegebenheiten größtes Engagement und ein großes Maß an Professionalität entdecken: Ein Rundum-Programm erwartet den Urlauber, ob es Fallschirmspringen am Strand, Kamelreiten in der Wüste oder Heilanwendungen in neuesten Wellness-Einrichtungen sind. Nach unseren Recherchen über die mit zahlreichen Sport- und Freizeitangeboten lockenden Hotels, die sauberen Sandstränden und die wunderschöne Medina, der Altstadt von Sousse, ging es in den folgenden Tagen weg von Badeorten und weiter mit dem Jeep ins Landesinnere. Die Fahrt führte durch ein vielfältiges Land – durch Wüsten und Steinoasen bis hin zu den Höhlenmenschen, die inmitten der Steinoase in ursprünglicher Ruhe und Abgeschiedenheit in Steinhöhlen des Wüstenbodens leben – hin zu Salzseen und historischen und heiligen Stätten wie Kairouan mit seinem einzigartigem islamischem Flair. So können wir auch das Hinterland und das Alltagsleben entdecken, das mit Ursprünglichkeit und traditionellen Lebensweisen zwischen Wüstenoasen, Dattelpalmen, Tomaten– oder Kürbis-Plantagen und mit der Teppichknüpfkunst den Fremden zu inspirieren vermag. Am letzten Abend diskutieren wir am Lagerfeuer in der Wüste mit Einheimischen, welche Höhepunkte des Landes wir den Reisenden empfehlen können: Eine Nacht in einem Zelt in der Wüste unter Sternen? Einen Jeep mieten und mit diesem durch die Stein- und auch Sandwüste fahren? Eine Wanderung durch die Weite der Sahara mit tunesischen Wüstenführern? Oder einen Ausflug zu Fuß durch den Salzsee Chad el Jarrid mit seiner berühmten und wohl auch gefürchteten Fata Morgana? Bei all diesen Gedanken haben wir natürlich die Warnungen des Auswärtigen Amts vor Terror und Kidnapping in den Saharagebieten im Hinterkopf – doch anstatt der Unsicherheit der Saharagebiete haben wir das Land als sicher und die Menschen als sehr gastfreundlich und sehr differenziert denkend in Fragen der westlichen und östlichen Politik erlebt. Europäisch und doch afrikanisch, traditionell und modern, orientalisch und westlich zugleich. Und wer sich trotz der Warnungen von Badeorten wegbewegt und bis in das Herz des Landes vorstößt, wird feststellen: Es ist alles anders, als es ist und auch das ist anders – verbindlich ist vor allem die Warmherzigkeit und Besonnenheit der Menschen! Das Tor nach Afrika, sagte Caesar, sei Tunesien und kurz vor dem Einschlafen denken wir, dass wohl das Geheimnis des afrikanischen Kontinents, zwischen Zauber und Gefahr, sehr alt ist und wir bedauern, nicht noch tiefer in diesen Kontinent vordringen zu können. Schließlich sind wir uns, so wahr wie die Hand der Fatima in den Medinas Tunesiens zu sehen ist, auch sicher, dass jeder zukünftig Reisende seinen Weg zurück in das Land finden wird (sei es durch die eigene Entdeckerlust oder die vielsprechenden Reisekataloge) und dass die Fatima schützend zwischen Zauber und Gefahr ihre Hand über den Reisenden hält.Nadia Russek
Bester Badeort: Mahdia Schönste Medina: Sousse Größter Markt: Tunis Filmkulisse: ausgehend von Tozeor zu den „Star Wars“-Drehorten Ältestes Gebäude: Kolosseum „El Yem“ Inspirierenste Stadt: Sidi Bou Said Tiefste Einsamkeit: Südliche Saraha Originellstes Essen: bei den Höhlenbewohnern bei Matmata Großer Trubel: im Badeort Hammamet Leicht vor Ort organisiert: Kameltour, Jeep-Tour in die Berge, Salzsee-Tour Vierte heilige Stadt (neben Mekka, Medina und Jerusalem): Kairouan Weltkulturerbe: Ruinen von Karthago Winterreisende: Saharafestival in Douz, „Festival International du Sahara“ Lesetipp: Paulo Coehlo „Tränen der Wüste“ Nicht vergessen: Eine Nacht in der Sahara, z.B. im Wüstencamp El Djiebel